- Die Angeklagte Ivonne M. (47) heute im Chemnitzer Landgericht. Links Anwältin Kerstin Börner.
Totschlags-Prozess: Blutige Details und Erinnerungslücken
Sie kam in Handschellen: Ivonne M. (47), eine zierliche Chemnitzerin, die Jeans und eine rosa-graue Jacke mit Kapuze trägt. Seit September letzten Jahres sitzt sie im Frauengefängnis. Weil sie nicht erkannt werden will, hält sie sich einen Aktenordner vor das Gesicht. Im gut besetzten Saal 036 des Landgerichts Chemnitz allerdings kennen die meisten Beobachter die Angeklagte mit den kupferroten Haaren: die Ivonne von nebenan.
Messerstiche im Lutherviertel
Nebenan, in der Carl-von-Ossietzky-Straße im Lutherviertel, wo sich am 10. September eine schreckliche Tat abgespielt hat. Staatsanwalt Carsten Schönfeld: „Wir werfen der Angeklagten vor, ihren damaligen Verlobten mit Messerstichen getötet zu haben.“ Von fünf Stichen mit zwei Küchenmessern (Klingenlängen: elf und 20 Zentimeter) ist die Rede.
So steht es in der Anklageschrift, so verliest es der Jurist im Sitzungssaal. Zuletzt hatte er in einem öffentlichkeitswirksamen Prozess die Anklage im Mordfall Valeriia (9) vorgetragen.
Die Angeklagte kann sich nicht erinnern
Erinnern kann sich die Angeklagte heute nicht mehr an den tödlichen Streit in der Nacht. Ihre Anwältin Kerstin Börner: „Meine Mandantin wird sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Sie kann sich nicht erinnern – sicherlich alkoholbedingt und auch aufgrund einer psychischen Erkrankung.“
Sanitäter: Blutlache und Schmerzenslaute
So geht das Gericht schnell zur Zeugenbefragung über. Ein Sanitäter sagte aus, dass der Schwerverletzte in einer riesigen Blutlache in der Küche lag. Er gab Schmerzenslaute von sich, hatte Einstiche im linken Arm, der linken Brust und im linken Oberschenkel. Aus dem Fenster schrie der Zeuge nach einem Notarzt und legte wegen der Rutschgefahr Handtücher auf das Blut.
Durch seine Aussage wird auch klar, dass die Retter sehr schnell am Tatort waren. Nur 13 Minuten nach dem Notruf kniete der Sanitäter neben dem Schwerverletzten, der trotz Notoperation gegen 3.20 Uhr im Klinikum Chemnitz starb.
Polizist beschreibt die erste Begegnung mit der Angeklagten
Dann sagte ein Polizist als Zeuge aus, der beim Einsatz vor Ort war. „Ein Nachbar hatte uns alarmiert“, erinnert er sich. „An der Adresse fanden wir die Angeklagte vor. Sie saß auf der Treppe, die von der Wohnung nach oben führt, hatte eine Schnitt- oder Stichverletzung am Hals und war augenscheinlich betrunken.“ Ein Test ergab einen Wert von 2,69 Promille.
Laut Zeuge habe Ivonne M. davon gesprochen, dass ihr Freund sie aus der Wohnung geworfen habe und sie verlassen wolle. Für die verschlossene Tür habe sie keinen Schlüssel. Der Polizist: „Wir haben dann geklingelt und geklopft, hörten den Mann stöhnen. Schließlich haben Feuerwehrleute das Schloss aufgebrochen und sahen das spätere Opfer in einer Blutlache in der Küche liegen.“
Der Prozess wird fortgesetzt.