- Ernster Warner: UN-Generalsekretär Guterres
- Aktivisten tanzen, um anlässlich der Weltklimakonferenz #COP30 zu protestieren.
- Ernster Warner: UN-Generalsekretär Guterres.
- In Belém ist Platz für Protest – ein deutlicher Unterschied zu vergangenen Klimakonferenzen.
Standpauke am Amazonas: UN-Chef verkündet „bittere Wahrheit“
Belém (dpa) - Zehn Jahre nach dem historischen Pariser Klimaabkommen hat UN-Chef António Guterres den Staats- und Regierungschefs aus aller Welt ins Gewissen geredet und eine radikale Kurskorrektur im Kampf gegen die Erderwärmung gefordert. „Die bittere Wahrheit ist, dass wir es nicht geschafft haben, unter 1,5 Grad zu bleiben“, sagte der UN-Generalsekretär bei einem Gipfel in Belém am Rande des Amazonas-Regenwaldes. Vor dem offiziellen Start der 30. Weltklimakonferenz kommende Woche hatte Brasilien zu dem Krisentreffen eingeladen.
Guterres prangert „moralisches Versagen“ an
Guterres verwies auf wissenschaftliche Erkenntnisse, dass die im Pariser Klimaabkommen angestrebte 1,5-Grad-Grenze spätestens zu Beginn der 2030er Jahre befristet überschritten wird – mit fatalen Folgen. Jedes Zehntelgrad bedeute mehr Hunger, mehr Vertreibung und mehr Leid. Zurzeit sei der Kampf gegen die Klimakrise unzureichend. Die Welt steuere auf eine Erwärmung von weit über zwei Grad zu und der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase steige weiter. „Das ist moralisches Versagen – und tödliche Fahrlässigkeit.“
Der UN-Chef rief zu einem schnellen Kurswechsel auf. So dürften keine neuen Kohlekraftwerke und Öl- und Gasprojekte mehr genehmigt werden. Auch forderte Guterres, bis 2030 die weltweite Entwaldung komplett zu stoppen.
Eine „COP der Wahrheit“ an symbolischem Ort
Der Gastgeber, Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, mahnte: „Die COP30 wird die COP der Wahrheit sein.“ Ein Klimagipfel im Amazonasgebiet – es gebe „kein größeres Symbol für die Sache der Umwelt“ als den Regenwald mit seinen Tausenden Arten und Pflanzen.
Für den Schutz dieses und anderer Tropenwälder in mehr als 70 Staaten will Brasilien viel Geld sammeln: Lula gab in Belém den offiziellen Startschuss für einen neuen milliardenschweren Geldtopf. Jährlich könnte der Fonds „Tropenwälder für immer“ (TFFF) nach einiger Anlaufzeit rund vier Milliarden US-Dollar ausschütten.
Konkret heißt das: Staaten, die wertvollen Tropenwald erhalten, bekommen dem Konzept zufolge aus dem Fonds pro Jahr und Hektar eine Prämie von 4 US-Dollar. Für jeden zerstörten Hektar sollen sie aber umgekehrt 140 Dollar (122 Euro) Strafe zahlen. Überprüft würde dies mit Satellitenbildern.
Nach den Vorstellungen Brasiliens sollen reiche Staaten freiwillig anfänglich 25 Milliarden US-Dollar einzahlen. Mit diesem Grundstock sollen dann in den nächsten Jahren weitere 100 Milliarden US-Dollar aus dem Privatsektor mobilisiert werden. Norwegen sagte am späten Nachmittag eine Einzahlung von drei Milliarden US-Dollar über zehn Jahre zu. Als potenzieller Geber wird in dem Konzept auch Deutschland genannt.
In Brasilien wieder mehr Raum für Protest
Neben aller Krisenstimmung zeigte sich der brasilianische Gastgeber zu Beginn auch in seiner bunten Vielfalt: Vor den Anzugträgern aus aller Welt tanzten grün-blau kostümierte Maskottchen und Musiker mit bunten Bändern an den Hüten. Vor dem Gelände forderten Aktivistinnen und Aktivisten mit Tänzen und Gesängen mehr Klimaschutz. Nach drei Jahren Klimakonferenzen in autoritär regierten Staaten - zuletzt waren dies Aserbaidschan, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten - hat die Zivilgesellschaft diesmal wieder mehr Raum für Proteste.
Ob sich der Konsens von Paris vor zehn Jahren wiederbeleben lässt, bleibt jedoch fraglich. Die Franzosen brachten den Hammer, mit dem das historische Abkommen 2015 besiegelt wurde, in dieser Hoffnung mit nach Belém. Präsident Emmanuel Macron sagte, gefragt nun sei Tatkraft, nicht Fatalismus. Zugleich warnte er vor der grassierenden Desinformation in Bezug auf die Klimakrise, was die Demokratie gefährden könne.
Der britische Premier Keir Starmer beklagte, heute sei der Konsens von Paris leider nicht mehr vorhanden. Großbritannien stehe jedoch weiter „voll und ganz“ hinter der Netto-Null-Agenda, die auch der Wirtschaft zugute komme.
Aus dem Vereinigten Königreich reiste auch Thronfolger Prinz William an, dessen Familie sich seit Jahrzehnten dem Kampf gegen die Klimakrise verschrieben hat. Er erinnerte daran, dass diese keine entfernte Bedrohung sei – sondern schon heute kleine Dörfer wie riesige Städte betreffe. „Keine Ecke der Welt wird nicht betroffen sein“, sagte William. Es sei nun Zeit, sich die Frage zu stellen, welches Vermächtnis man hinterlassen wolle.
Merz am Freitag erwartet – USA nicht mehr dabei
Der chinesische Vize-Ministerpräsident Ding Xuexiang verwies auf den starken Ausbau erneuerbarer Energien in seinem Land, das weltweit mit Abstand am meisten Treibhausgase ausstößt. Grünes Wirtschaften sei der Trend der Zeit und schaffe Jobs. Ausdrücklich warb er dafür, Barrieren im Welthandel einzureißen, die auch die Verbreitung grüner Technologien behinderten – ohne den schwelenden Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump ausdrücklich zu erwähnen. Die USA haben sich mit Trump erneut aus dem Pariser Klimaabkommen verabschiedet.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wird erst am Freitag in Belém erwartet, für einen Kurzbesuch. Für einen Aufenthalt von 21 Stunden wird er insgesamt etwa genau so lange mit seinem Regierungsflieger unterwegs sein.
Klimakrise zeigt auch 2025 ihr zerstörerisches Gesicht
Die Weltwetterorganisation (WMO) zieht zum Auftakt eine verheerende Zwischenbilanz für das laufende Jahr: Viele Regionen Afrikas und Asien erlebten verheerende Überschwemmungen, in Europa und den USA gab es Waldbrände und mehrere schwere tropische Wirbelstürme. 2025 dürfte mit seinen anhaltend und alarmierend hohen Temperaturen das zweit- oder drittwärmste seit der industriellen Revolution sein. 2024 war das bislang heißeste Jahr mit etwa 1,55 Grad über der Referenzmarke.
Bislang tut die Menschheit zu wenig gegen eine weitere Eskalation: Die Treibhausgase in der Atmosphäre, allen voran CO2, haben laut WMO 2024 wieder Rekordwerte erreicht und stiegen 2025 weiter an. Zumindest in der EU sind die Netto-Emissionen im vergangenen Jahr um weitere schätzungsweise 2,5 Prozent zurückgegangen, wie die Europäische Umweltagentur (EEA) mitteilte.
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