Kultusminister Piwarz steht Rede und Antwort

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Sachsens Kultusminister Christian Piwarz war am Dienstag zu Gast bei Andre und die Morgenmädels. Zum Auftakt des zweiten Schulhalbjahres haben wir mit dem CDU-Politiker über die Situation an den Schulen im Freistaat gesprochen und die Fragen der Hörer beantwortet.

Die Themen waren breit gefächert und reichten vom Lehrermangel über Unterrichtsausfall und Lehrplangestaltung bis hin zur Digitalisierung an den Schulen. Die Interviews gibt es hier zum Nachhören.

Audio:

Thema Lehrermangel und warum muss die Schule so früh beginnen
Thema Lehrerausbildung & Prüfungserleichterung
Thema Digitalisierung & Entlastung der Lehrer
Thema Lernen fürs Leben & Krankschreibung von Schwangeren
Thema soziale Kompetenzen & Quereinsteiger

Sirko ist Ehemann einer Lehrerin. Er will wissen, wann endlich etwas für den körperlichen und physischen Schutz der Lehrkräfte unternommen wird. Die heutige „Eltern-Arbeit“ der Lehrkräfte wird extrem unterschätzt, schreibt er. Da müssen nach der Schule z.B. E-Mails besorgter Eltern beantwortet und Elterngespräche organisiert werden. Neben der täglichen Unterrichtsvorbereitung kommt da einiges zusammen, was eine 40-Stunden-Woche weit übersteigt. Die Mehrarbeit führt zu Frust und Demotivation, deshalb ist auch der Krankenstand so hoch.

Irena fragt, warum lässt man das Potenzial bei den Schulleitern und Stellvertretern brach liegen - diese beschäftigen sich hochgradig mit Verwaltungstätigkeiten, obwohl sie eine pädagogische Ausbildung durchlaufen haben. Kann man diese Verwaltungstätigkeiten nicht viel besser durch Personen abdecken, die dafür eingestellt/bereitgestellt werden? Diese könnten sogar aus der freien Wirtschaft kommen.

Doreen fragt: ich möchte gern wissen, warum Seiteneinsteiger nicht gleich gestellt werden mit den Lehrern. Seiteneinsteiger haben es schwer: sie unterrichten die Schüler und studieren neben der Arbeit über mehrere Jahre. Dennoch erhalten sie nicht das gleiche Geld, z.B. auch die Zuschüsse für die Arbeit auf dem Land. Warum ist das so?

Es war schon angesprochen worden: die Erleichterungen bei den Abitur-Prüfungen im Zusammenhang mit Corona. Das hat die Birgit gehört und fragt, warum gibt es das in diesem Jahr letztmalig? Was ist mit den anderen Schülern? Auch die folgenden Abi-Jahrgänge haben zwei volle Jahre Corona am Gymnasium miterlebt. In dieser Zeit wurde viel weniger Lernstoff vermittelt, der nicht nachgeholt wurde.

Unser Sohn (8. Klasse) nimmt im Klassenverbund seit einiger Zeit am Programm "Aufholen nach Corona" teil. Ist im kommenden Schuljahr eine Fortführung derartiger Lernangebote geplant?

Uns haben sehr viele Fragen erreicht. Christian Piwarz konnte leider nicht alle beantworten. Einige haben wir dem Kultusminister mitgegeben und reichen hier die Antworten nach. Wer darüberhinaus weitere Fragen zum Thema Schule hat, kann sich gern an das Kultusministerium wenden.

Warum werden nach Corona und Lehrermangel, sowie ständigem Stundenausfall für die jetzigen Abschlussklassen die Prüfungsaufgaben nicht der derzeitigen Situation angepasst? Es kann doch nicht gewollt sein, dass aufgrund von Fachkräftemangel, einige Schüler ihren 10 Klassenabschluss nicht schaffen. Defizite konnten doch so nicht bzw. nie aufgeholt werden, zumal das Problem bekannt ist. Es wird alles auf dem Rücken der Schüler ausgetragen.

Die Erfahrungen aus den letzten Prüfungen für die Oberschule und das Gymnasium haben gezeigt, dass es keinen signifikanten Abfall der Leistungen gab. Im Gegenteil, die Anzahl der besten Oberschüler und besten Abiturienten hat zugenommen. Auch in diesem Jahr wird es noch einmal Erleichterungen für die Abschlussprüfungen geben. Fakt ist aber auch, dass wir einen Schulabschluss nicht verschenken können. Die Wirtschaft fordert dringend Fachkräfte mit Qualität. Um Schülerinnen und Schüler, denen das Lernen schwerfällt, den Weg zum Schulabschluss zu ebnen, hat das Kultusministerium verschiedene Projekte und Unterstützungsprogramme in das Regelschulsystem integriert. Durch die höchst individuellen und alternativen Lernangebo-te können mehr Jugendliche zu einem Abschluss geführt und ein Schulabbruch verhindert werden. Hier ein paar Beispiele dafür:

Produktives Lernen:
Das im Regelsystem fest verankerte Projekt wendet sich an abschlussgefährdete Schüler der 8. und 9. Klassenstufe einer Oberschule. Hier werden außerschulische Tätigkeiten an selbst gewählten Praxisplätzen mit dem Lernen an der Schule verbunden. Das Lernen in der Schule erfolgt an 2 Tagen in der Woche fachbezogen, fachübergreifend und fächerverbindend. Das Lernen in der Praxis an 3 Tagen in der Woche ist das Kernstück des „Produktiven Lernens“, wobei sich die Schülerinnen und Schüler auf Grundlage einer intensiven Erkundung ihrer Inte-ressen und Kompetenzen weitestgehend selbständig Praxisplätze in einem Betrieb, einer Behörde, einer kulturellen, sozialen oder auch politischen Einrichtung suchen. In Sachsen bieten derzeit 9 Oberschulen „Produktives Lernen“ an.

Praxisberater:
Praxisberater bieten den Schülern Hilfe und Unterstützung bei der Berufsorientierung, um die Jugendlichen für einen Schulabschluss zu motivieren. Derzeit sind im Freistaat Sachsen an 251 Oberschulen 302 Praxisberaterinnen und Praxisberater tätig. Weitere Infos gibt es hier.

Berufseinstiegsbegleiter:
Berufseinstiegsbegleiter begleiten die Jugendlichen an Oberschulen und allgemeinbildenden Förderschulen individuell bis in die Ausbildung hinein. Sie haben sich als sinnvolles Instrument erwiesen, um leistungsschwächere Schüler bzw. Schülerinnen in ihrer Motivation doch zu einem schulischen Abschluss und zu einem erfolgreichen Übergang in die Ausbildung zu führen.

Förderangebote durch Lerncamps und Ganztagesangebote:

Die Lerncamps in den Ferien haben starke praktische Bezüge, die nicht nur die Lernlücken schließen, sondern auch die Lernmotivation steigern sollen. Auch die Ganztagesangebote an den Schulen dienen dazu, die Lernmotivation zu erhöhen und die Lernlücken zu schließen.

Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg:

In Sachsen gibt es viele verschiedene Möglichkeiten den Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg nachzuholen, z. B. auf den Abendschulen, durch eine Schulfremdenprüfung oder über das Berufsvorbereitungsjahr. 2021 haben so 447 Absolventen ihren Schulabschluss erfolgreich nachgeholt oder einen höheren Abschluss abgelegt. Unter den 447 Absolventen gab es 111 Hauptschul- und 141 Realschulabschlüsse.Leistungsfähige Schüler der Schule zur Lernförderung erhalten die Möglichkeit, den Hauptschulabschluss zu erwerben (zwischen 200 und 300 Schüler pro Jahr)

Multiprofessionelle Teams an Schulen:
Um die gestiegene Heterogenität an Schule gestalten zu können, brauchen die Lehrkräfte und Schulleitungen zusätzliche Unterstützung. Diese Unterstützung erfolgt durch weitere Fachkräfte aus unterschiedlichen Berufsbereichen, sodass sich an den Schulen zunehmend multi-professionelle Teams bilden. Es geht hier um Schulverwaltungsassistenten, Inklussionsassistenten, Schulsozialarbeiter, Sprach- und Integrationsvermittler, etc.

Ich würde gern wissen warum die Berufsschulen in vielen Berufen in den ersten beiden Lehrjahren nicht nach dem Wohnortprinzip beschulen. Das vernichtet Ausbildungsberufe. Ein Beispiel: der Beruf Maler und Lackierer wird im Leipziger Raum ausschließlich in der Berufsschule Leipzig Land beschult. Diese Schule liegt in Böhlen. Für einen Azubi aus Torgau heißt es dann mehr als drei Stunden Fahrt für eine Strecke. Eine Übernachtung im Internat wird auf Antrag mit mindestens 16 Euro unterstützt, aber auch nur wenn der Azubi vorher kein Abitur oder eine andere Ausbildung absolviert hat. Bei solchen Regelungen müssen wir uns nicht wundern, dass Ausbildung unattraktiv wird und manche Berufe aussterben.

Das Kultusministerium legt für einzelne Bildungsgänge der Berufsschule Einzugsbereiche fest. Der Auszubildende besucht die Schule in deren Einzugsbereich er seinen Hauptwohnsitz hat. Prinzipiell erfolgt die Beschulung, (v.a. im 1. Ausbildungsjahr) so wohnortnah wie möglich. Ein flächendeckendes Angebot ist weder aus personeller noch aus sächlicher Sicht zielführend. Anderenfalls müsste jeder Schulträger die notwendige Technik, Räumlichkeiten und Fachkabinette an jedem Standort vorhalten.

Geht das Interesse für bestimmte Ausbildungsberufe zurück, können nicht in ganz Sachsen alle Ausbildungsberufe wohnortnah beschult werden. Manchmal kommen für einen Ausbildungsberuf vor Ort nur 2 bis 3 interessierte Azubis zusammen. Eine Voraussetzung zur Bildung einer Berufsschulklasse ist u.a. die kontinuierliche Nachfrage nach einem Bildungsgang von mindestens 16 Schülerinnen und Schülern. Ausführlicher zur Thematik des Berufsschulnetzes siehe: https://www.berufsschulzukunft.sachsen.de/

Warum wird in Sachsen so wenig für autistische Schüler/innen gemacht?

Das ist so nicht zutreffend. In jedem Einzelfall wird entschieden, welches schulische Angebot und welche pädagogischen Bedingungen geeignet sind und in welchem Förderschwerpunkt die entsprechende sonderpädagogische Unterstützung erfolgen kann. Nicht zuletzt spielt der Wunsch der Eltern eine maßgebliche Rolle. Eine Inklusive Unterrichtung ist an Grundschule, Oberschule, Gemeinschaftsschule, Gymnasium bis hin zur berufsbildende Schule möglich. Mehr zur Inklusion: https://www.inklusion.bildung.sachsen.de/index.html

Ebenso ist eine Unterrichtung an eine Förderschule möglich, wo hochqualifizierte Förderschullehrkräfte und vielfach weitere pädagogische Fachkräfte die autistischen Kinder und Jugendlichen entsprechend ihrer Talente und auch unter Berücksichtigung ihrer individuellen Beeinträchtigungen bestmöglich unterstützen. Unsere Förderschulen: https://www.schule.sachsen.de/foerderschule-3991.html

Ich besuche die 10. Klasse im Gymnasium. Im Rahmen einer Belegarbeit beschäftige ich mich mit der Frage, wie man das Lernen für Schüler und Schülerinnen attraktiver gestalten bzw. die Lehrerschaft entlastet werden kann. Meine Idee ist es, ein Wechselmodel bereits ab Klasse 5 mit einem standortunabhängigen Lernen einzuführen. Das heißt, dass wir Schüler einen Teil in Präsenz in der Schule unterrichtet werden (Stoffvermittlung/-Kontrolle) und einen Teil des Lernens selbstständig außerhalb der Schule durchführen. Jeder kann sich dadurch in seiner Geschwindigkeit und ohne Druck den Stoff erarbeiten. Dies führt im großen Maß auch zur Eigenständigkeit. Die Lehrer werden in meinen Augen entlastet, da nicht alle Klassen gleichzeitig in der Schule sind und sie sich dadurch klassenstufenweise auf den Unterricht konzentrieren könnten und ein Lehrermangel damit gemildert werden kann. Was halten Sie von der Idee?

Der Präsenzunterricht, also der direkte Kontakt zwischen Lehrkräften und Schülern kann durch digitale Medien nicht ersetzt werden. Das hat vor allem die Coronapandemie deutlich gemacht. Gerade im Bereich der Grundschule und bei jüngeren Schülern in der Übergangsklasse von der Grundschule in die Oberschule oder auf das Gymnasium ist Hybridunterricht nicht zielführend. Bei älteren Schülern kann der Einsatz von digitalen Medien im Bereich „Selbstlernen“ als ergänzendes Mittel genutzt werden. Das setzt aber eine vorangegangene Medienbildung/-erziehung voraus. Diese ist in den sächsischen Lehrplänen fest verankert.

Die Schule darf kein geschlossener Lernkosmos sein. Digitale Medien sind Teil unseres Lebens und damit Teil von Schule. In Zukunft werden die digitalen Medien im zunehmenden Maße Lehrkräfte unterstützen, z. B. durch KI-gestützte Lernprogramme, aber nicht ersetzen. Aktuell diskutieren wir unter dem Motto „Bildungsland Sachsen 2030“ mit Experten und später auch mit der Öffentlichkeit darüber, wie wir unsere Schulen fit für die Zukunft machen. Auch die Themen „Selbstlernen“, Hypridunterricht und KI spielen da eine Rolle. Wir freuen uns auf rege Beteiligung durch Eltern, Schüler und Lehrkräfte. Zum Hypridunterricht gibt es bereits ein Pilotprojekt – siehe: https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/1057975