Das Sorgentelefon klingelte 5.800 Mal
Manchmal braucht es nur einen Satz, um wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Einen Satz, der vielleicht zögerlich beginnt, brüchig klingt – und doch der Anfang eines echten Gesprächs ist. Genau solche Gespräche führten im vergangenen Jahr unzählige Menschen zum Chemnitzer Sorgentelefon. 5.800 Mal öffnete sich dort ein Raum, in dem Sorgen Platz fanden, Tränen erlaubt waren und jemand geduldig zuhörte.
Immer mehr Gesprächsbedarf
Die Zahl der Gespräche stieg um rund 15 Prozent. Das geht aus einer Antwort des Sozialministeriums auf eine Kleine Anfrage der Chemnitzer Linke-Landtagsabgeordneten Susanne Schaper hervor. 49 Mitarbeiter der Stadtmission führten im Schnitt 15 Gespräche pro Tag – Begegnungen, die Menschen wieder ein Stück Stabilität gaben.
Was Menschen bewegt – die Themen, die schwer auf der Seele liegen
In den Sachberichten der Telefonseelsorge werden die Hauptgründe klar benannt: Einsamkeit und Isolation, psychische Erkrankungen, depressive Stimmung, emotionaler Stress, körperliche Beschwerden, Spannungen in der Familie, Ängste, suizidale Gedanken sowie Konflikte im Alltag oder mit Nachbarn.
Oft beginnt es leise, fast unmerklich – wie ein dunkler Fleck, der größer wird. Und irgendwann braucht es jemanden, der zuhört, damit der Alltag wieder heller wird.
Sachsenweit steigt der Druck
44.272 Anrufe und knapp 2.000 Chats wurden im gesamten Freistaat registriert. Vor allem Dresden, Oberlausitz und Vogtland verzeichneten hohe Zahlen.
Susanne Schaper warnt: „Sachsen gehört zu den Bundesländern mit den höchsten Suizidraten.“ Wer nicht weiterweiß, müsse schnelle, niedrigschwellige Hilfe bekommen – „leicht zugänglich, nötigenfalls anonym und schon weit bevor suizidale Gedanken aufkommen“.
Die Angebote von Telefonseelsorge, Kinder-, Jugend- und Elterntelefon seien stark nachgefragt. Deshalb, so Schaper, brauche es eine stabile Finanzierung: „Der öffentliche Gesundheitsdienst muss ausgebaut werden, damit er seine Präventionsangebote verstärken kann.“
Plauderbänke und andere Wege aus der Einsamkeit
Einsamkeit betrifft längst nicht nur Ältere. Auch Jüngere ringen damit, Anschluss zu finden. Darum schlägt die Linke niedrigschwellige Angebote wie sogenannte „Plauderbänke“ vor. Schaper sagt dazu: „Geselligkeit hängt bisher oft vom Geldbeutel ab – auch deshalb kämpfen wir gegen Armut. Ein einfaches Mittel wären auch Plauderbänke: Wer sie nutzt, signalisiert den Wunsch, ins Gespräch zu kommen.“ Dazu lohne sich die Förderung des Ehrenamts, damit Menschen sich gegenseitig auffangen können. Oft reichen schon ein Sitzplatz und etwas Mut für ein erstes Wort.
Vielleicht lohnt es sich, öfter die Frage zu stellen: „Wie geht es dir – wirklich?“ Oft beginnt genau damit der erste Schritt aus der Stille. (mit dpa)
